(Archiv Franz Leichter)
1895 Am 20. August wird Marianne Katharina Pick als Tochter des Rechtsanwalts Josef Pick und seiner Ehefrau Charlotte, geborene Rubinstein in Wien geboren – nur elf Monate nach ihrer Schwester Valerie („Vally“, verh. Weigl, Komponistin und
Musiktherapeutin).
1907–1914 Besuch des „Beamtentöchter-Lyzeums“ in Wien Josefstadt mit Matura. In ihrer Freizeit schließt sie sich Gleichgesinnten der Wiener Jugendbewegung an.
1914 Da Frauen in Österreich (bis 1919) nicht Jus studieren dürfen, inskribiert sie Staatswissenschaft, obwohl sie und die Familie wissen, dass ein Doktoratsabschluss
an der Universität Wien nicht möglich ist. Gemeinsam mit anderen Freundinnen
bringt sie mehrere Klagen beim Reichsgericht auf Zulassung zum Jusstudium
ein. Einige Jahre betreut sie ehrenamtlich Kinder aus dem Proletarierviertel
„Krim“ in Wien Döbling.
1917 übersiedelt sie nach Heidelberg, um das Studium der Staatswissenschaften
abzuschließen. Sie engagiert sich in der sozialdemokratischen Bewegung.
Aufgrund ihres öffentlichen Auftretens gegen den Krieg wird sie im Dezember 1917 aus Deutschland ausgewiesen und erhält ein Einreiseverbot.
1918 Ihre Dissertation schreibt sie über die handelspolitischen Beziehungen
Österreich-Ungarns zu Italien. Mit einer Sondergenehmigung darf sie
zwei Wochen nach Heidelberg fahren, um ihre Doktorprüfung bei Max
Weber (mit Auszeichnung) abzulegen. Im Herbst besucht sie Vorlesungen
an der Universität Wien und engagiert sich bei den sozialdemokratischen
StudentInnen. Dabei lernt sie den sozialdemokratischen Journalisten,
Schriftsteller und Politiker Otto Leichter kennen.
1919 bekommt sie eine Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Otto Bauer im Außenministerium und arbeitet auf seine Veranlassung hin in der Staatskommission für Sozialisierung. Daneben wird sie Konsulentin
von Finanzminister Joseph Schumpeter. Von 1919 bis 1934 wirkt sie
als stellvertretende Vorsitzende und Verantwortliche für Bildungs- und
Frauenarbeit in der Bezirksgruppe Innere Stadt der Sozialdemokratischen
Arbeiterpartei. Sie wird als Delegierte zu fast allen Parteitagen und zu
allen Frauen-Konferenzen der Partei entsandt. Als Redakteurin ist sie für
die sozialdemokratische Monatsschrift „Der Kampf“ und die „Arbeiterzeitung“
tätig.
1921 heiraten Käthe und Otto Leichter und ziehen in die Wohnung ihrer Großeltern
im ersten Bezirk.
1924 kommt Sohn Heinz zur Welt. Kurz nach seiner Geburt nimmt sie ihre Tätigkeit in der Staatskommission wieder auf.
1925 beschließt die Arbeiterkammer Wien ein Referat für Frauenarbeit zu schaffen. Nach kontroversen Diskussionen wird sie zur Leiterin des Referats bestellt. Sie verfasst Studien, Aufsätze und Bücher zu Frauenthemen. Die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Studien sind wegweisend für viele gesellschaftspolitische Reformen der Ersten Republik. Sie wird als erste Frau in den Betriebsrat der
Arbeiterkammer gewählt und ist eine gefragte Vortragende bei Gewerkschafts-
und Betriebsratsschulungen.
1926 Erste Studie „Wie leben die Wiener Hausgehilfinnen?“ erscheint. Sie
setzt sich hartnäckig für eine eigene, ständige Rubrik in der Zeitschrift „Arbeit
und Wirtschaft“ (Zentralorgan der Arbeiterkammer und der Freien Gewerkschaften)
ein. Nach zwei Jahren Kampf mit den Chefredakteuren setzt sie dies durch und veranlasst auch einfache Arbeiterinnen Artikel zu schreiben. Später gibt es eine eigene Zeitungsbeilage „Frauenarbeit“.
1927 Publikation „Frauenarbeit und Arbeiterinnenschutz in Österreich“ erscheint.
1928 Studie „Wie leben die Wiener Heimarbeiter?“ Bis 1934 führt sie zahlreiche Betriebsrats- und Funktionärsschulungen durch.
1929 Gemeinsam mit Anna Boschek (erste Gewerkschafterin im Parlament,
Vorsitzende der Frauensektion der Freien Gewerkschaften) geht sie neue Wege in der Funktionärinnenausbildung und produziert ab 1929 regelmäßig halbstündige Radiobeiträge („Radiostunde für die arbeitende Frau“) über Frauen in der Betriebsvertretung und am Arbeitsplatz.
1930 Sohn Franz kommt zur Welt. Das „Handbuch zur Frauenarbeit“ wird veröffentlicht. Zur besseren Veranschaulichung verwendet sie die von
Otto Neurath entwickelte Bildstatistik des Wiener Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums.
1932 Die große Studie „So leben wir… 1.320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben“ erscheint. Sie schreibt eine Zusammenfassung unter dem Titel „Es muss nicht sein“, ein Aufruf und Appell zur Verbesserung der Lebenslage der arbeitenden
Frauen. In zahlreichen Vorträgen und Schriften fordert sie die Gewerkschaft und die sozialdemokratische Partei auf, sich mehr um arbeitslose Frauen und Männer und um den Kampf gegen den Faschismus zu kümmern.
1933 Sie wird Vorstandsmitglied der neu gegründeten „Vereinigung sozialistischer
Schriftsteller (ebenso wie Marie Jahoda). Über die von Marie Jahoda, Paul Felix Lazarsfeld und Hans Zeisel veröffentlichte Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ schreibt sie die erste Rezension.
1934 Nach den Februarkämpfen müssen Käthe und Otto Leichter untertauchen und kommen zunächst bei Bekannten unter. Sie reisen nach Brünn, um mit Otto Bauer zu sprechen und treffen in der Schweiz Friedrich Adler. Nach einem kurzen Aufenthalt im Schweizer Exil kehren sie im September 1934 nach Österreich zurück und wohnen in Mauer bei Wien. Sie arbeiten im Untergrund für die Revolutionären Sozialisten. Käthe Leichter leitet in der illegalen Organisation zuerst das politische Bildungswesen, dann den Nachrichtendienst. Der sozialdemokratische Jugendfunktionär Bruno Kreisky kommt zu Treffen der Revolutionären Sozialisten in ihr Haus. Unter Pseudonymen schreibt sie weiter Artikel und Flugblätter und hält sogar Vorträge im Ausland. Gelegentlich kann sie Forschungsarbeiten für ausländische Institute durchführen, die
regelmäßige Unterstützung der Auslandsvertretung der Sozialdemokraten
trägt wesentlich zum Lebensunterhalt bei.
1938 Im März kann Otto Leichter mit einem gefälschten Pass in die Schweiz und dann nach Paris fliehen, die Söhne kommen mit Hilfe einer befreundeten Familie und der ehemaligen Hausgehilfin ins Ausland. Käthe Leichter beschafft sich illegal Papiere, wird jedoch von Hans Pav, einem ehemaligen Sportjournalisten der Arbeiterzeitung verraten und am 30. Mai 1938 von der Gestapo festgenommen.
Im Polizeigefängnis beginnt sie ihre Kindheitserinnerungen zu verfassen,
die sie ihrer Freundin Frieda Nödl übergibt. Otto Leichter schreibt ihr unter
dem Decknamen „Pflegemutter“. Während der Gestapohaft wird ihr von
der Universität Heidelberg die Doktorwürde aberkannt. Ihr Sohn Franz erreicht
2013 eine Annulierung dieses Beschlusses.
1940 Trotz zahlreicher Interventionsversuche aus dem Ausland wird sie im
Jänner in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert. Im KZ
erfährt sie vom Freitod ihrer Mutter. Ihre Freundin Rosa Jochmann, die
ebenfalls im KZ ist, schildert in ihren Erinnerungen, dass Käthe Leichter Gedichte
und Theaterstücke geschrieben und Literaturnachmittage für die Mitgefangenen
angeleitet hat.
1942 Im März wird sie in der Psychiatrischen Versuchsanstalt Bernburg an der Saale in Sachsen-Anhalt bei einer Versuchsvergasung mit etwa 1.500 Jüdinnen ermordet. Als offizielle Todesursache wird „Kreislaufversagen“ angegeben.
Seit 1991 werden (mit einer Unterbrechung von vier Jahren) jährlich Käthe-Leichter-Preise für Frauen- und Geschlechterforschung verliehen.
„Die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Leistung muss nach wie vor als oberstes gewerkschaftliches Prinzip gelten.“ Käthe Leichter
Käthe Leichter
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